Chris liest: Ein Interview mit Peter Klisa

Nachdem ich schon hier im Blog einen Beitrag zum Thriller “Die letzten Stunden der Dunkelheit” veröffentlicht habe und auch in der achten Folge des Weltendieb-Podcasts über den Roman sprach, ist es mir eine ehrliche Freude euch hier ein Interview mit Peter präsentieren zu dürfen. Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, der Roman bekommt von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

Chris: Peter Klisa legt mit seinem Roman „In den letzten Stunden der Dunkelheit“ eine Geschichte in der wahrscheinlich chaotischsten Situation der deutschen Geschichte vor. Ein amerikanisches Kommandounternehmen macht sich auf den Weg in die Hauptstadt des dritten Reiches. Das umkämpfte Berlin. Wie kommt man auf die Idee, sich der wahrscheinlich unübersichtlichsten Szenerie des zweiten Weltkrieges zu widmen? 

Peter Klisa: Das ergab sich durch die geografischen und zeitlichen Zusammenhänge von selbst. In Berlin befand sich damals eines der Zentren der deutschen Kernforschung, der Angriff der Roten Armee hatte bereits begonnen, die Amerikaner standen 100 km entfernt an der Elbe. An diesem Ort und in diesem Zeitfenster ließ sich hervorragend ein dramatisches Aufeinandertreffen der zukünftigen Rivalen Amerika und Russland konstruieren. Theoretisch hätte die Geschichte auch früher spielen können. Dann hätten aber die Dramatik des Frontverlaufs und die besondere Situation in Berlin durch den Kollaps des Naziregimes gefehlt.

Aber unübersichtlich trifft es. Um den Überblick zu behalten, habe ich mir zum Beispiel genau angesehen, wann die Rote Armee welches Berliner Stadtviertel eingenommen hat. Nicht, dass da historische Ungenauigkeiten entstehen.

Chris: Dein Protagonist will doch eigentlich nur dass der Krieg endlich endet. Eine verschwundene Frau treibt ihn in den wahrscheinlich gefährlichsten Hexenkessel. Frederic Carvis wächst über sich hinaus und lässt auch seine Vergangenheit hinter sich. Neben schlimmen Dramen, trägt dein Roman auch viel Hoffnung in sich. Wie konntest du dich in deine Figuren einfühlen? Mit welchen Wendungen haben dich deine Protagonisten überrascht? 

Peter Klisa: Ich habe viele Augenzeugenberichte gelesen. Außerdem habe ich versucht, mich so intensiv wie möglich in die jeweilige Situation und Figur hineinzuversetzen. Ich habe mich immer wieder gefragt: was würde ich empfinden, wie würde ich mich fühlen? Wobei das bei einigen Szenen wahrscheinlich nicht mal ansatzweise möglich ist, wenn man diese Situationen nicht erlebt hat. Speziell bei den Häuserkämpfen und im Gestapo-Hauptquartier. Manche Sachen aus der damaligen Zeit kann man sich heute gar nicht vorstellen. Ich habe es trotzdem probiert … ☺

Über Frederic Carvis hatte ich mir sehr viele Gedanken gemacht. Von ihm gab es keine Überraschungen. Seine Handlungen passen zu seiner Entwicklung und zu seinem Charakter. Wirklich überrascht hat mich Martin Reske mit seiner Entscheidung am Ende des Buches. Das war ursprünglich nicht so vorgesehen, aber er hat sich durchgesetzt. ☺

Chris: Wie lief hier die Recherche ab? Wie intensiv war die Spurensuche und vor allem, wie viel Material wurde am Ende verworfen? Wie lange hast du an diesem Roman gearbeitet?

Peter Klisa: Ich habe etliche Bücher gelesen. Über die letzten Monate in Berlin zum Kriegsende, über die deutsche Atomforschung, die Gestapo, die Olympiade 1936 und natürlich über Alsos. Daneben gibt es sehr viele Detailinformationen im Internet. Im Technikmuseum in Sinsheim habe ich mir Waffen und Flugzeuge aus dem 2. Weltkrieg angesehen. Außerdem war ich zweimal in Berlin. Ich bin die Heerstraße bis zur Havel und dann zur Gaststätte Schildhorn gelaufen. Die gibt es tatsächlich. Verworfen wurde eigentlich nichts. Informationen, die nicht unmittelbar in die Geschichte einfließen, sind als Hintergrundinformationen wertvoll.

Die Idee zum Roman hatte ich vor mehr als zehn Jahren. Die reine Schreibarbeit hat etwa vier Jahre gedauert, weil ich das nebenher mache. Außerdem musste ich erst mal lernen, wie man Romane schreibt. ☺  

Chris: Der deutsche Uranverein, hat sich im Auftrag des Naziregimes der Nutzbarmachung der Atomkraft gewidmet. Welche Verantwortung hat man als Romanautor die Rüstungsprojekte, die man damit unweigerlich streift, ins richtige Licht zu rücken? 

Peter Klisa: Die Verantwortung liegt in der korrekten Beschreibung und Einordnung. Mir war es unheimlich wichtig, sauber zwischen Realität und Fiktion zu trennen. Damit niemand auf die Idee kommt, die Deutschen hätten eine Atomwaffe entwickelt oder dass ich diese Meinung vertrete. Darum habe ich am Ende ein Kapitel zu den wissenschaftlichen Hintergründen eingefügt. Als Chemiker habe ich eine sehr gute Vorstellung, wie weit der Uranverein von einer Atombombe entfernt war. Nämlich sehr, sehr weit. Das wollte ich unbedingt deutlich machen, um keinesfalls Verschwörungsgeschwurbel zu unterstützen.

Chris: In der breiten gesellschaftlichen Wahrnehmung hat sich die Rezeption der Atomkraft aber auch der Atomwaffen erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verändert. Inwieweit können amerikanische Soldaten im zweiten Weltkrieg die Bedeutung der Atomwaffen antizipieren? 

Peter Klisa: Der normale Soldat und Offizier hatte weder eine Vorstellung von einer Atomwaffe, noch von der Sprengkraft. Das Manhattan-Projekt war geheim und die Thematik nur einem Expertenkreis bekannt. Aber Kernphysiker oder Ingenieure konnten sehr wohl die Energie einschätzen, die bei der Kernspaltung frei wird. Darum haben auch die wichtigsten Industrienationen direkt nach der Entdeckung der Kernspaltung durch Otto Hahn Forschungsprogramme zur Nutzung aufgesetzt, was am Ende zum Wettlauf zwischen Russen und Amerikanern führte. Im Buch stellen Samuel Goudsmit und Frederic Carvis diese Experten dar. Carvis eher zufällig, weil er allgemeine Physik studiert hat, aber während seines Studiums in Berlin Zugang zu den weltbesten Kernphysikern hatte. Die Soldaten von Alsos wissen natürlich, worum es geht.

Chris: Im laufenden zweiten Weltkrieg rüsten die Weltmächte bereits für die kommenden Konflikte. Wie kamst du auf das offene Ende? Warum darf Bergmann nicht eindeutig sterben oder eindeutig überleben? 

Peter Klisa: Ich fand das unheimlich spannend. Außerdem regen offene Enden den Leser (im Idealfall ☺) zum Nachdenken an. Am Ende ist nicht klar, ob vielleicht die ganze Mission mit allen Opfern umsonst war. Könnte sein, man weiß es aber nicht. Für Carvis verlagert sich der Erfolg der Mission auf das Überwinden seines persönlichen Traumas. Ob das eigentliche Ziel erreicht wurde, bleibt unklar. Daraus ergibt sich aber die Frage: hätte Carvis „zum Wohle des großen Ganzen“ anders handeln und seine persönlichen Interessen unterordnen müssen. Eine spannende Frage, die jeder mal für sich beantworten kann. Wie hätte ich gehandelt?

Chris: Mit deinem kommenden Thriller verschiebst du die Handlung genau dort hin. „Der letzte Brandenburger“ wird sich der Nachkriegszeit widmen. Was kannst du schon über das neue Projekt verraten? Wann können wir uns auf dein neues Buch freuen? 

Peter Klisa: In „Der letzte Brandenburger“ geht es um Schwarzmarkt, kriminellen Banden und die geteilte Stadt unmittelbar nach Kriegsende. Das war eine Zeit im Umbruch, mit schwachen staatlichen Strukturen, mächtigen Gangsterbanden und Berlin als Frontstadt im Kalten Krieg.

Ein US Offizier wird nach Berlin zur Militärpolizei strafversetzt. Er soll die organisierte Kriminalität bekämpfen und tritt dabei mächtigen Leute auf die Füße. Als er einem großen Coup auf die Spur kommt, gerät er selbst auf die Abschussliste und bringt die Frau in Gefahr, in die er sich gerade verliebt hat.

Es wird wieder sehr spannend, mit viel Action und einer intensiven Liebesbeziehung. Allerdings erspare ich den Lesern dieses Mal die Kernphysik.

Da ich den größten Teil noch schreiben muss, gibt es noch keinen konkreten Erscheinungstermin. Hoffentlich 2025.

Vielen Dank für das Interview. ☺

Chris: Wir bedanken uns bei Peter für die ausführlichen Antworten und wünschen viel Erfolg auch mit dem kommenden Roman! Wenn ihr mehr über Peter’s Arbeit herausfinden wollt, hält er ich auf seiner Homepage auf dem Laufenden: www.peterklisa.de

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